Montag, 2. Juni 2008

Jin Lie's viele Gesichter

Im Jahr der sommerlichen und diesmal chinesischen Olympischen Spiele ist es in, China medial kontrovers zu zerreissen, wenn es sich um politische Fragen handelt, oder das Land zu hypen, wenn man den Wirtschaftsboom bzw. die Import-/Exportzahlen diskutiert. Es vergeht kein Tag in den Medien, an dem China nicht Thema ist, leider auch wegen furchtbarer Naturkatastrophen, die das Land momentan heimsuchen.
Noch bevor der gesamte Medienrummel um China losging, war der 1969 in der Provinz Shanxi geborene chinesische Künstler Jin Lie einer der ersten Künstler, den die Galerie upstairs berlin unter Vertrag genommen hat: wohlweislich das Potential, was in ihm schlummert, ahnend. Schon die ersten in einer Einzelausstellung Portraits for a White House 2004 in der Villa Grisebach Gallery präsentierten Bilder zeigten, in welche Richtung es bei Lie geht: Gesichter, Gesichter, Gesichter.
Am Anfang malte Lie noch in einer stürmischen Weise menschliche Gesichter. Man hatte den Eindruck, dass er mit dem Zeichnen die Menschen, die dahinterstecken, für sich selber erfassen wolle. Vielleicht um sie so besser zu verstehen oder aber auch nur, weil er von ihnen angetan ist. Die Strichführung ist noch hart und aggressiv.
Mit seiner seit dem 17. Mai 2008 eröffneten Einzelausstellung The Poetry of the Portrait in den Räumen der upstairs berlin Galerie zeigt sich Lie von einer gereiften und ruhigeren Seite. So als ob er allmählich in sich ankommt.
Schon seit langem war Lie von der Publikation The Poetry of the Protrait der deutsch-französischen Fotografin und Fotohistorikerin Gisèle Freund (1908 - 2000) begeistert. Das Buch wartete nur darauf, von Lie gezeichnet zu werden.
Auf insgesamt 32 kleinformatigen Ölporträts werden berühmte Persönlichkeiten gezeigt, die besonders verletzlich und nachdenklich wirken. Walter Benjamin, George Bernard Shaw, Hermann Hesse, Andrè Malraux, Simone de Beauvoir, Paul Celan, Ivan Illich, Henri Matisse, John Steinbeck, James Joyce, Virginia Woolfs Desk in the Garden, T. S. Eliot, Pierre Bonnard, Marcel Duchamp, Jean Cocteau, Jean Paulhan, Julio Cortázar, Arthur Koestler, Peggy Guggenheim und Herberr Read, Louis Aragon, The Hands of James Joyce, Pablo Neruda, Virginia Woolf, Colette, Le Corbusier, Elsa Triolet, Adrienne Monnier, Henry Miller, Jean-Paul Sartre und Frida Kahlo sind seine Modelle.
Schade ist eigentlich nur, dass das gemalte Buch nach Ende der Ausstellung in seine Einzelstücke verkauft wird. Vielleicht findet sich ja jemand, der die gesamte Serie aufkauft? Alle 32 Bilder würden sich auf einer Wand neben- und untereinander aufgehängt einfach fabelhaft machen!
Die einzelnen Ölgemälde sind noch bis zum 28. Juni 2008 in der Galerie upstairs Berlin zu sehen.

Jin Lie

The Poetry of the Portrait
Galerie upstairs berlin
Zimmerstr. 90/91
10117 Berlin

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