Freitag, 29. Februar 2008

Manhattan in Kreuzberg und der kirschrote Ball

Manhattan goes to Kreuzberg.
Diesen Eindruck hat man jedenfalls, wenn man die Tür zu den grosszügigen Räume der Jablonka Galerie öffnet und attraktive Damen und Herren in elegantem Schwarz gekleidet sich angeregt unterhaltend und flanierend, sieht. Zwischendurch sieht man dann einen Herren, der auf einem kleinen Rollbrett eine Cafettiera hinter sich herzieht. Sehr individualistisch, sozusagen die Nachfolgegeneration des Autos bzw. des Hündchens auf einem Rollbrett.
Herausgeputzt und nun wohleingestimmt, begibt man sich dann auf die Suche nach den Hauptdarstellern der heutigen Vernissage, dem Künstler Alex Katz und seiner Ehefrau Ada Katz! Beide sind an diesem Abend zur Eröffnung ihrer Ausstellung "Marine" extra angereist und stellen sich - blendend aussehend - den neugierigen Blicken der Gesellschaft. Ausgestellt werden wunderbare klare grossformatige Bilder von Katz, der mit Porträts seiner Ehefrau und Muse Ada bekannt geworden ist. Kontrastreich zu den Porträts werden auch Bilder mit Wasser- und Uferlandschaften in zarten Pastelltönen, die zu dem Thema der Ausstellung "Marine" passen, gezeigt. Der Jablonka Galerie ist mit dieser exhibition eine Bereicherung Berlins gelungen, die den Kunststandort Berlin in jedem Fall aufwertet und zeigt, dass in dieser Stadt kulturell eine Menge los ist.

Alex Katz
Marine

29.2.2008 - 26.4.2008
Jablonka Galerie
Kochstr. 60
10969 Berlin


Etwas kreuzbergerisch urbaner gehts eine Etage höher in der MKgalerie bei der Vernissage Review of a Position zu. Hier ist der dresscode des Publikums mehr casual und bunt und entspricht mehr der verrückten Kunstszene Londons. Mit selbstgemachten Salaten, Sekt und Bier bewaffnet, sitzen die Künstler, Freunde und sonstigen Besucher zum Teil auf dem Boden und gestalten aus einer sonst steifen Veranstaltung eine lockere Partyatmosphäre.
Die ausgestellten Werke von Pim Palsgraaf, Aram Tanis, Hans Wilschut, Moonjoo Lee, Isaac Gimeno, Erla Haralsdóttir und Bo Melin haben alle eine städtische Entwicklung zum Thema. Sei es durch Fotocollagen, Fotografien, Skulpturen, die städtische Gebäude mit toten Tieren kombinieren oder Videoinstallationen, .... überall wird eine etwas verkommene, zum Teil triste, anonyme und düstere Urbanisation dargestellt.
Allein die Videoinstallation des jungen spanischen Künstlers Isaac Gimeno wirkt durch einen sich um einen statischen Punkt bewegenden roten Ball aufregend und zugleich hypnotisierend. Während sich der städtische Hintergrund hinter dem Ball immer schneller dreht und zum Schluss fast gar nicht mehr zu sehen ist, tritt der rote Ball deutlicher hervor und wird immer farbintensiver. Man ist irgendwann so auf diesen Ball fixiert, dass er in Gedanken immer mehr einer Kirsche ähnelt. Und dann stoppt das Ganze abrupt und man befindet sich wieder über den Dächern einer Stadt.
Wie im Traum.

Review of a Position
29.2.2008 - 29.3.2008
MKgalerie
Kochstr. 60
10969 Berlin

Der Kampf der Würste

Besucher Berlins stellen gerne immer wieder eine Frage, wenn es darum geht, den Hunger berlingerecht zu stillen: Welches Essen ist typisch für Berlin?
Da fällt einem schlicht und einfach nur die echt Berliner Currywurst ein! Erstmals 1949 wurde sie von Herta Heuwer in ihrem Imbissstand an der Ecke Kantstraße/Kaiser-Friedrich-Straße in Berlin mit der Chill-up Sauce zubereitet und verkauft. Der Erfolg war derart umwerfend, dass dieses Produkt bis zum heutigen Tag auch entgegen jeglichen Wellnesstrends ungebrochen ein Fastfood-Hit ist.
Wie das immer bei Erfolgsrezepten so ist, wollen alle an dem Ruhm verdienen, so dass es in Berlin an jeder zweiten Ecke eine Currywurst-Bude gibt - solange sie noch nicht von der mittlerweile zweiten regionalen Spezialität, dem türkischen Döner, verdrängt wurde.
Zwei Institutionen - besser gesagt zwei Imbissbuden - sind allerdings für die beste Currywurst mittlerweile auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt: Während für den Ostteil der Stadt Konnopke's Imbiss die Fahne hochhält, ist das Curry 36 im Westteil der Stadt der Anlaufpunkt für unzählige hungrige Mäuler.
Man könnte vermuten, dass Currywurst und Pommes dank Globalisierung wohl überall gleich schmecken. Weit gefehlt!
Während bei Konnopke's Imbiss die Sauce etwas süss-säuerlicher ist und auch die Pommes kleiner und dafür auch krosser sind, ist die Portion beim Curry 36 in Kreuzberg üppiger und die Pommes werden ohne falschen Geiz auf Wunsch großzügig mit Ketchup und Majo garniert. So üppig, dass man zum Schluss noch "verlorengegangene" Pommes oder ein Rest Currywurst in der Sauce sucht. Die Sauce ist in jedem Fall süsslicher und die Pommes schmecken tatsächlich nach Kartoffeln.
Während man beim Curry 36 um einen der wenigen Stehplätze an den Tischen kämpfen muss, kann man bei Konnopke bei Bedarf bequem und windgeschützt unter'm Baldachin Platz nehmen.
Die Gäste des Konnopke und des Curry 36 haben sich seit der Gründungszeit gravierend gewandelt. Während die Currywurst zu Beginn ein Arbeiteressen war, kommen immer mehr und mehr Kreative, Geschäftsleute, Akademiker, etc. auf den Geschmack.
Konnopke's Imbiss ist aufgrund der Lage am U-Bahnhof Eberswalder Straße Anlaufpunkt für die Kreativen, Touristen, Studenten, etc. Der typische Arbeiter ist hier wohl kaum noch zu finden.
Anders sieht's bei Curry 36 aus. Aufgrund der bequemen Lage direkt am Mehringdamm halten gerne mal Taxifahrer, Polizeistreifen, etc. an, um sich hier mit der berühmten Currywurst den Magen zu füllen und zu wärmen. Daneben kommen die Stammgäste aus dem Kiez um die Bergmannstraße, Geschäftsleute aus den nahegelegenen Büros und neugierige Touristen, die Kreuzberger Luft schnuppern wollen, zum Curry 36. Harmonisch wird dann gemeinsam mit dem kernigen Blaumanntyp am anderen Ende des Stehtisches die Currywurst entweder mit einem Brötchen oder mit Pommes von den Damen und Herren in Barbour-Jacken und/oder mit Louis-Vuitton Taschen verdrückt.
Bei Konnopke zahlt man für eine Currywurst mit Pommes rot/weiss 3,10 € und bei Curry 36 ebenfalls für eine Currywurst mit Pommes rot/weiss 2,90 €. Schmecken tut's aber bei beiden ausgezeichnet!
Es lebe die Currywurst!

Konnopke's Imbiss
Schönhauser Allee 44a
10435 Berlin
Mo-Fr. 6-20 Uhr
Sa. 12-19 Uhr

Curry 36
Mehringdamm 36
10961 Berlin
Mo-Fr 9-4 Uhr
Sa 10-4 Uhr
So 11-3 Uhr






Unter Niewo mit Achilleus und Odysseus

Zu Beginn des Frühlings ist das Ensemble "Unter Niewo" aus seinem wohlverdienten Winterschlaf erwacht.
Am
12.3., 14.-16.3. und 19.-24.3.2008
wird wieder das umwerfende und die Lachmuskeln beanspruchende Stück "Die Ilias und die Odyssee an einem Abend" auf die Bühne des BKA gebracht.
Wie bei dem grandiosen Erfolg im letzten Jahr werden die Schauspieler Isabelle Gensior, Christoph Keune, Robert Löhr, Thilo Prothmann und Paul El Selman das Publikum wieder aufs Beste mit herausgepickten Szenen aus den Epen Homers Ilias und Odyssee unterhalten. Altgriechisch-Kenntnisse und das Wissen um die Geschichten um Achilles, Odysseus, Circe, Agamemnon, Zeus, Patroklos etc. werden nicht vorausgesetzt!

Unter Niewo
BKA-Theater
Mehringdamm 32 - 34
10961 Berlin

Donnerstag, 28. Februar 2008

Dem Regen sei Dank ..... Manolo welcomes!

Man steht an einer Ampel an einer unübersichtlichen grossen Eckstrasse und es fängt an zu regnen. Die Ampel wird einfach nicht grün.
Sehr ärgerlich.
Und dann schaut man sich um, da man etwas gegen das langsame Durchweichen machen möchte.
Ein Blick nach hinten genügt und schnell ist man in ein wunderbares Café hineingeschlüpft: das MANOLO.
Beim Hineingehen eröffnet sich dem Gast eine ästhetische grosse Halle, die an Cafés in Mailand oder auch in Wien erinnert. Eben ein typisches Kaffeehaus, wo man schnell seinen kleinen Schwarzen hinunterstürzen kann. Bei Bedarf kann man sich natürlich auch genussvoll - eventuell mit Freunden oder auch einem freundlichen Buch oder einer informationsreichen Zeitung - an einen der Tische setzen und einen Kaffee schlürfen, der nach gusto mit der entsprechenden Menge Milch oder Schaum gemischt ist.
Neben Gästen, die zufällig ob der einnehmenden Fassade in die Bar hineinstolpern, sind die meisten Besucher Stammgäste, die die angenehme, elegante und zuvorkommende Atmosphäre suchen und hier auch finden.
Solche Cafés findet man in Wien oder Mailand meist nur in touristischen Zentrum, die dann von Touristen und "business people" okkupiert werden. Das Manolo hat all das nicht nötig. Bescheiden liegt es an der U-Bahn-Station Eberswalder Str. im Prenzl'berg und bleibt von all den trendigen Veränderungen rund um die U-Bahnstation unbeeindruckt.
Die Gäste kommen in jedem Fall.
Spätestens, wenn man an der Ampel auf grünes Licht wartet und es anfängt zu regnen.

MANOLO

Schönhauser Allee 45
10435 Berlin

Sonntag, 24. Februar 2008

Französische siesta mit Bellota-Bellota und dem spanischen goldenen Fan

Der Samstag hat sich in Berlin immer mehr zu einem Tag entwickelt, an dem halb Berlin unterwegs ist, um seine Wochenendeinkäufe zu erledigen. Die einen fahren in die grossen Einkaufszentren, die am Rande der Stadt aus dem Boden geschossen sind. Die anderen gehen wie eh und je in die Supermärkte in der Stadt. Und eine kleine beharrliche Gruppe kombiniert das Notwendige zusammen mit dem Laissez faire und kauft und geniesst zugleich in einem der vielen Gourmettempel Berlins. Zu Westberliner Zeiten kämpfte man in der "Fressetage" des KaDeWe um die besten Plätze am Austernstand, bei Lenôtre oder den Champagnertresen, um bei einem Glas flüssigem Gold sehen und gesehen zu werden.
Mittlerweile hat auch das Lafayette in der Friedrichstrasse von dieser Gewohnheit profitiert und seinen Gourmetbereich im Untergeschoss elegant ausgebaut. Neben russischen Piroggen, Blinis mit oder ohne Kaviar, delikaten Torten und Törtchen, Sushi und anderen Leckereien kann man nun auch weitere Delikatessen, die ausserhalb Frankreichs beheimatet sind, zu Gemüte führen bzw. seinen Hunger deluxe stillen.
Der wohl beste und teuerste Schinken, der produziert wird, hat daher seit letztem Jahr seine Heimat im Lafayette in Paris und Berlin gefunden: der Jamón Ibérico de Bellota von Bellota-Bellota.
Das besondere an diesem Schinken ist, dass dieser Schinken von Schweinen stammt, die frei laufend sich nur von Eicheln ernähren. Das führt dazu, dass der Schinken ein besonders würziges Aroma erhält. Diese Eichelmast wird hauptsächlich nur noch in Spanien und Portugal betrieben. Der Schinken ruht dann mindestens 30 Monate. Diese Geduld, die man bis zum Verkauf des Jamón Ibérico aufbringt, zahlt sich dann aber sowohl im Preis als auch im Geschmack aus.
Auf dem Teller im Lafayette des Bellota-Bellota Gourmettresens landet dann schlussendlich ein Schinken, der auf dem Gaumen aromatisch zerschmilzt. Die Assoziation eines würzigen Karamellbonbons ist in diesem Zusammenhang zwar absurd, aber dennoch naheliegend.
Allerdings ist bei Bellota-Bellota nicht nur der Schinken ein Traum, auch die verschiedenen salchichón und der würzige Käse zusammen mit einer speziellen angenehmen leichten Konfitüre entlocken rechts und links der Tresen ein glückseliges Hmmm oder Ahhhh!.
Und dazu ein frisches Glas spanischen Weissweins und der samstaglichen Einkaufshektik ist Adé gesagt!
Der zu dem kleinen Imbiss gewählte Fan D. Oro war eine vortreffliche Wahl, da er trotz seiner 13,5% vol. eine elegante Leichtigkeit bewahrt hatte, die wunderbar mit den würzigen Kleinigkeiten harmonierte.

Spanien
Ribera del Duero
Arzuaga Navarro
Fan D. Oro
100 % Chardonnay
2005, 13,5% vol.

Von der Farbe hat der Chardonnay ein zartes hellgelb.
In der Nase ist er dann sehr typisch aromatisch und weckt Assoziationen von tropischen Früchten wie Mango und Litchi mit einem Hauch Karamell auf buttrigem Toastbrot.
Am Gaumen ist der Fan dann ruhiger und brilliert mit seinem eleganten understatement. Die Frische des Weines kommt dann insbesondere durch die leichte mit Kräutern gewürzte Zitrussäure hervor.
Resumee der Wein-/Tapaskombination: perfect match!
Gesättigt, glücklich und zufrieden ob der genussvollen Vermeidung des samstaglichen Einkaufsstresses kann das Wochenende beginnen und der Erholung dienen!

Sonntag, 17. Februar 2008

The War Child Emmanuel Jal

Auch nach der großen gestrigen Preisverleihung gab es an dem letzten Berlinaletag noch einmal zahlreiche Filme zu einem Specialpreis zu sehen.
Tout Berlin war zu den unzähligen Aufführungsstätten unterwegs, um die letzte Möglichkeit bei der 58. Berlinale dabeizusein, sich nicht entgehen zu lassen.
Auch ins Kino Babylon Berlin kamen daher scharenweise Kinder, Jugendliche und vereinzelt Erwachsene zur Berlinalesektion "Generation 14plus", um im Film War Child (2008) in das Leben eines sudanesischen Kindes entführt zu werden.
Der Produzent und Co-Director von 18th St Films Christian Karim Chrobog, der in Washington D.C. lebt, hat die Geschichte des Rappers Emmanuel Jal dokumentarisch verfilmt.
Emmanuel Jal ist wohl 1980 im südlichen Sudan in Tonj geboren und ist während der Bürgerkriegszeit von seinem Vater nach Äthiopien geschickt worden. Bevor er jedoch dort ankam, ist er fast auf einem überfüllten und daher sinkenden Boot ertrunken, musste mit hunderten von Kindern dann nach Äthiopen laufen und lebte unter furchtbaren Umständen in einem Camp, wo er zu einem Kindersoldaten ausgebildet wurde. Von dort - unter grausamsten Zuständen fliehend - gelangte er in ein Flüchtlingscamp, aus dem er von einer Mitarbeiterin der Kinderhilfsorganisation "Streetkids" nach Kenia geschmuggelt wurde. Dank dieses Zufalls hatte Emmanuel die Möglichkeit gehabt familiäre Geborgenheit kennenzulernen und eine private Schule zu besuchen.
Die gute schulische Erziehung, die er genossen hatte und die ihm mitunter seine internationale Laufbahn als Hip-Hop-Star überhaupt erst ermöglichte, motivierte ihn, sich weltweit für den Sudan und die traumatisierten Flüchtlingskinder und Kindersoldaten zu engagieren.
Durch seine Musik, seine Aktivitäten, Vorträge und Gespräche mit internationalen Organisationen und NGO's ermöglicht er es unter anderem, daß an dem Ort, an der geboren wurde, eine Schule - die einzige in der Umgebung! - gebaut wird.
Auf die Frage, weshalb Emmanuel diesen Film wollte, antwortete er im Film, daß es für ihn schwer sei über sein Leben in Vorträgen zu berichten. Ein Film würde ihm diese Last ein wenig nehmen.
Der Film ist bestürzend und erschütternd.
Und das, obwohl man dachte, daß man all die Bilder aus dem Darfur und dem Konflikt zwischen dem nördlichen und südlichen Sudan, Äthiopien, von Kindersoldaten und den Refugees-Camps kannte.

Banana's Tsugumi

Banana Yoshimoto.
Ein ungewöhnlicher Name.
Ein Name einer Schriftstellerin, die 1964 in Japan geboren wurde.
Eine Autorin, die mit vielen Büchern in Japan und international bekannt wurde. Vor allem mit Kitchen .... und dann auch mit Tsugumi (1989 bei Chuokoron-sh Inc. unter dem Titel TUGUMI erschienen).
Tsugumi ist gleichzeitig auch die Heldin dieses seltsamen Buches.
Woran dieses Seltsame festzumachen ist, ist allerdings schwer zu beschreiben. Vielleicht liegt es daran, dass man auf jeder Seite, die man liest, erwartet, daß etwas Schreckliches mit Tsugumi passiert? Und dann passiert doch nichts Furchtbares. Oder liegt es an der Beschreibung dieses ungewöhnlichen Mädchens?
Tsugumi lebt in einer kleinen touristischen Küstenstadt in Japan und ist Tochter von Gasthausbesitzern, die das "Hotel" Yamamoto betreiben.
Die Erlebnisse mit ihrer Schwester Yoko und Cousine Maria werden so reizend beschrieben, dass man sich selber in der Pubertät wiedererkennt.
Allerdings sind die Streiche, die Tsugumi ununterbrochen ausheckt, nur eine Facette ihres Charakters. Faszinierend an der Darstellung dieses Mädchens ist gerade ihre Widersprüchlichkeit. Auf der einen Seite ist sie ein garstiges, unerträgliches, unerzogenes, egoistisches Mädchen, das auf Niemanden Rücksicht nimmt. Auf der anderen Seite ist sie eigentlich ihr Leben lang immer todkrank gewesen und ist an jedem einzelnen Tag dem Tod von der Schippe gesprungen. Obwohl eigentlich nicht ganz klar ist, woran sie tatsächlich leidet. Und nichtsdestotrotz scheint Tsugumi die liebenswürdigste, hübscheste und intelligenteste Person zu sein, die trotz ihrer Eskapaden nicht nur in ihrer Schwester Yoko, sondern auch in der Cousine Maria die treuesten und liebsten Freunde gefunden hat.
Der treffendste Satz des ganzen Buches, der die Liebe und die Freundschaft zwischen Maria und Tsugumi wiedergibt, steht schon ganz zu Beginn auf der zweiten Seite: "Liebe ist....wie die Japanischen Wasserwerke: Man kann verschütten, soviel man will, sie versiegt nie, selbst wenn man den Hahn ewig lange volle Kanne aufdreht. Ja, so ist das."

Banana Yoshimoto
Tsugumi
Diogenes Verlag
1. Aufl. 1989 erschienen
Aus dem Japanischen von Annelie Ortmanns

Mittwoch, 13. Februar 2008

Señor Ferran Adrià und sein Frühstücksei

Wann kann man einem Star jemals so nahe kommen wie bei der Berlinale?!
In diesem Fall ist der Star weder Ben Kingsley noch Penelope Cruz oder eine andere Hollywoodschönheit. Nein, es ist der unschlagbare, geniale, einmalige und wohl auch beste Koch der Welt, der ganz bescheiden der Vorführung zweier Dokumentarfilme über seine Arbeit beiwohnte.
Leger gekleidet saß Señor Ferran Adrià vom legendären El Bulli zusammen mit seinen Freunden und Kollegen unter den Zuschauern des Martin-Gropius-Bau Saales in Berlin.
Es wurden zwei sehr unterschiedliche Filme über Ferran Adrià im Rahmen der Berlinale-Sektion "Kulinarisches Kino" gezeigt, die er beide mit grosser Neugier und gelegentlichem Schmunzeln genau beobachtete. Immerhin war es für ihn nach eigener Aussage auch eine Premiere, einen Film über sich selber im Kino zu sehen. Der Aufruf seinerseits kam daher prompt: Man sollte Filme nur noch auf einer riesigen Leinwand sehen, da man einen ganz anderen Blick und Respekt für den Film entwickele!

Die erste Dokumentation des bei der Vorführung anwesenden Regisseurs David Pujol "El Bulli - Història d'un somni" (2008) zeigte sowohl die Ursprünge des El Bulli in dem kleinen Ort Roses, als auch ein geniales Porträt eines Menschen, der nur Koch wurde, weil er sich seinen Urlaub nach Ibiza finanzieren wollte. Neben wunderschönen Photos der essbaren Kunstwerke, die von Albert Adrà gemacht wurden (der ebenfalls als Gast der Vorführung beiwohnte), zeigte Pujol auch Gäste beim Essen, besser gesagt beim Geniessen und Dahinschmelzen.
Das Herz der Zuschauer hat insbesondere ein Paar erobert, die beide zwar definitiv keine klassischen Schönheiten darstellten, aber mit einem derartigen Genuss jeden Löffel, Gabel, Finger oder zur Abwechslung auch mal eine Pinzette und mit einer derartigen Hingabe die verzauberten Speisen zum Mund führten, als ob sie sie küssen wollten. Herrlich!

Der zweite Dokumentarfilm ist mit dem nicht weniger berühmten Anthony Bourdain gedreht worden, der auf seine gewohnt flapsige amerikanische Art in "Decoding Ferran Adrià" (2006) ebenfalls die Kochkunst des Ferran Adrià präsentierte.
Zu Beginn des Filmes ist Bourdain hinsichtlich der sogenannten Molekularküche mehr als skeptisch. Im Laufe der 47 min. begeisterte er sich jedoch immer mehr und mehr dafür und war schlussendlich so überzeugt, dass er Adrià als den genialsten Koch bezeichnete.
Ein wunderbarer Film in dem Señor Adrià das erste Mal mit Gästen in seinem Restaurant gegessen hat und dabei auch noch gefilmt wurde!
Alleine die cuts während des Films, die vermutlich nicht vorhandenen Werbepausen dienten, waren ein wenig nervig. Auch wäre der Genuss des Films ohne eine entsprechende live-Übersetzung in die deutsche Sprache größer gewesen.

Aber all das sind zu dem darauffolgenden Höhepunkt der Veranstaltung vernachlässigbare Makel:

Es folgte ein spannendes Gespräch zwischen Ferran Adrià (mit dem Übersetzer in der Mitte), dem Regisseur David Pujol, dem Moderator und Journalisten Stefan Elfenbein und dem Publikum.
Obwohl...Gespräch ist wohl zuviel gesagt, es war eher ein faszinierender Vortrag von Ferran Adrià über seine Kochkunst.
Ferran Adrià, der zunächst nicht den Eindruck eines gesprächigen Zeitgenossen machte, blühte mit jedem Wort mehr und mehr auf und liess sich auch nicht von Stefan Elfenbein unterbrechen, der zu Beginn noch versuchte, ein Gespräch zu entwickeln. Zum Glück und auf leichtes Murren des den Worten Adrià's lauschenden Publikums hin, gab Elfenbein dann seine Bemühungen auf und gab dem genialsten Koch der Welt die Redezügel frei! Es folgte ein faszinierender Vortrag über die Geschichte der Molekularküche und Kreativität, wobei für Ferran Adrià Kreativität dann vorliegt, wenn sie nicht kopiert werden kann. "Man könne Kreativität nicht erklären, man müsse es machen!"
Auf die sinngemässe Frage, woher Ferran Adrià seine Ideen für die unglaublichen Kombinationen, Symbiosen und Metamorphose nehme, antwortete er nur sachlich: "Man hat eine Idee,..., und wenn es funktioniert, dann hat man ein Gericht".
Solange sich Adrià jedoch fragen wird, "warum man beim Frühstück zuerst den Kaffee trinkt und dann das Ei ißt und beim Mittagessen zuerst das Ei ißt und dann den Kaffee trinkt", muss man sich um seine Kreativität keine Gedanken machen.
Die Küche des Ferran Adrià wird für seine Gäste auch in Zukunft einen unverwechselbaren Höhepunkt des Lebens bilden.
Solange man nach einer mindestens einjährigen Reservierung einen Platz in seinem kleinen Restaurant bekommt.

Dienstag, 12. Februar 2008

Bio-lunch

Bio ist voll in.
Nicht nur als Kraftstoff und beim Gemüsehändler um die Ecke.
Nein, Bio gibts jetzt auch im Fastfood- und Kantinenbereich.
Jouis-Nour hat neben einem Catering-Service in Berlin nun auch zwei Restaurant-Shops eröffnet. In der Jägerstraße 67 (Mitte) und in der Kochstr. 22 (Kreuzberg) verköstigen die Köche hungrige Geschäftsleute, Touristen und sonstige Laufkundschaft sowohl mit Sandwiches und ähnlichem, als auch mit täglich wechselnden Gerichten (bis zu sechs warme Gerichte werden angeboten), die nach Aussage des Unternehmens alle ausschliesslich mit Bio-Zutaten zubereitet werden. Am Preis ist es wider Erwarten nicht zu bemerken. Das freut einen doch sehr.
Auch die Einrichtung des Restaurant-Shops ist sehr angenehm. Viel helles Holz mit klaren Linien erinnert ein wenig an den skandinavischen sachlichen Einrichtungsstil. Gerade richtig für den kleinen Snack oder lunch zwischendurch. Und wer dann noch gemütlich einen Kaffee trinken möchte, kann es sich in einem der Sessel bequem machen und den Alltag ausblenden.
Sozusagen ein kleiner biologischer Wellness-break in der Mittagspause.

Jouis-nour
Jägerstraße 67
10117 Berlin

Jouis-nour
Kochstraße 22
10969 Berlin

Samstag, 9. Februar 2008

Berlin meets art - artists meet Berliner

Soll einer mal sagen, dass in Berlin nichts los. An jeder Ecke von Berlin sieht und hört man internationale Besucher, die gerade die Tage entweder zur Berlinale gekommen sind oder zu einer der tausend anderen Veranstaltungen.
Gestern konnte man zum Beispiel voll auf seine künstlerischen Kosten kommen. Viele Galerien luden zu Vernissagen.

1. Weiße Punkte und qualmende Hirschgeweihe
Jette Rudolph lud in ihre Galerie zu der Vernissage von gleich mehreren Künstlern ein: Jan Koch, Tillman Kaiser, Dannielle Tegeder und Klaus-Martin Treder. Die ausgestellten Werke waren alle derart unterschiedlich, sei es Skulpturen, Kollagen, "normale" Leinwände, etc., dass man sich fragen könnte, nach welchem Konzept die Zusammenstellung stattfand. Auf der anderen Seite war gerade die Unterschiedlichkeit der Werke für das Auge sehr erholsam. Den größten Eindruck hinterliessen die großformatigen Malereien von Jan Koch, die in ihrer grundlegend düsteren Stimmung durch die Verwendung von weißen Punkten auf dunkler Leinwand spannende Kompositionen erzeugten. Vom Weiten betrachtet, erinnerten sie ein wenig an "angezoomte" Pixel.
Ein "lustiges" anderes Ausstellungsobjekt - ebenfalls von Jan Koch - war ein silberner Pokal mit einem herauswachsenden Hirschgeweih, aus dem weißer Rauch strömte. Mit Weihrauch gefüllt wäre dieses Werk glatt für sakrale Handlungen tauglich.
Bis zum 8. März 2008 kann man noch diese und andere Werke in den Räumen der Galerie sehen.

Galerie Jette Rudolph
Zimmerstr. 90/91
10117 Berlin


2. Kindliche Großeltern in Sarajevo
Quasi um die Ecke fand gutbesucht auf Einladung vom daad eine ganz andere Vernissage statt. Passend zur parallel stattfindenden Berlinale wurde in der daadgalerie eine Videoinstallation auf vier Wänden von Sejla Kameric gezeigt, die es schon auf die 64. La Biennale di Venezia auf die Leinwand schaffte.
Die aus Bosnien-Herzegowina stammende Künstlerin zeigte mit Szenen aus dem Leben ihrer Großeltern in den 50er Jahren im Haus in Sarajevo auf den Wänden zeitversetzt die gleichen Bilder. Das fast absurde an den Aufnahmen war, daß die Großeltern Kinder sind, die trotz ihrer Kindlichkeit durch ihre Gesten, die Mimik und ihr Verhalten erwachsen, ja eben großelterlich wirkten.
Unterlegt von Geräuschen und Musik sah man die Kinder-Großeltern im Garten, in der Garage am Auto werkelnd, im Bett im verlassen wirkenden Haus am Radio langsam drehend und in dem im Untergeschoss betriebenen Cafe tanzend.
Trotz Bewegung ist die Installation ein sehnsüchtiges, einsames und manchmal melancholisches Stillleben. Wunderbar. Noch bis zum 15. März 2008 sehbar.

daadgalerie
Zimmerstr. 90/91
10117 Berlin


3. New York meets Berlin
Ein Opening ganz anderer Art mit zahlreichen internationalen Gästen fand in der neu eröffneten Galerie Rowland Kutschera in Pankow statt.
Der New Yorker Rechtsanwalt David J. Rowland hat zusammen mit dem Architekten Frank Kutschera in einem restaurierten und sanierten Haus am Baumbachpark einen kleinen Traum verwirklicht. In wunderbar großen und hellen Räumen werden demnächst in einer Ausstellungsreihe verschiedene amerikanische und deutsche Künstler präsentiert.
Den Auftakt bildete gestern die Ausstellung der großformatigen Bildleinwände von Thomas Möller, der seit 1986 in New York lebt. Genauso kosmopolitisch wie Möllers Leben, der mal nach Bangkok, New York, Hamburg oder Jakarta reist, sind auch seine Bilder. Neben der künstlerischen Verarbeitung des grossen Tsunamis, werden Öltürme im Südchinesischen Meer, der Golf von Thailand oder der Sayan Fluss dargestellt. Auffallend ist, daß der Künstler starke Farben bevorzugt und hauptsächlich mit roter und blauer Farbe arbeitet. Gerade diese Farbkonzentration übt einen starken Anziehungseffekt aus, so dass man sich in den Bildern verlieren kann. Das wird besonders deutlich bei den Bildern Gulf Of Thailand, red und Eastern Java, die beide einfach zum Mitnehmen wären. Fehlen zu Hause noch die Wände, die für 300 cm x 150 cm frei wären. Aber das kommt auch noch.
Noch bis zum 30. April 2008 ausgestellt und kaufbar.

Galerie Rowland Kutschera
Baumbachstr. 17
10439 Berlin

Freitag, 8. Februar 2008

Weinrallye # 9 Thema ist raus: Alltagsweine!

Nach der Weinrallye ist vor der Weinrallye.
Diesmal die 9. in Folge und vom Weingut Steffens-Keß betreut und vorgestellt.
Thema ist diesmal der Alltagswein, der einfach, unkompliziert und gerade deswegen gut und daher ein Genuss für jeden Tag ist.
Veröffentlichungszeitpunkt für einen entsprechenden Beitrag ist der 8. März 2008. Die einfachen und unverbindlichen Mitmachregeln sind wie immer beim winzerblog nachzulesen.

Weinrallye # 8 grandiose Zusammenfassung

Zeitnah, brilliant und humorvoll verfasst!
So ist die Zusammenfassung der Weinrallye # 8 von der diesmaligen Veranstalterin Iris auf ihrem blog Weingut Lisson veröffentlicht worden. Alle Beiträge werden detailliert, prägnant und kurz mit entsprechenden links dargestellt und man stellt zum Schluss befriedigt fest, dass trotz einiger Teilnehmer-Ausfälle (Herr Scheuermanns Beitrag wurde von mir schmerzlichst vermisst!), die Anzahl der nationalen und internationalen "Rallyefahrer" kontinuierlich wächst und diesmal 24 Beiträge umfasste!
Meine persönliche Schönheitskönigin habe ich jedenfalls schon auserkoren:
Die Etiketten von Anthony's Garage winery, die von schreiberswein und Nikos Weinwelten vorgestellt wurden, sind meiner Ansicht nach kaum an Individualität zu toppen. Naja, und wenn der Inhalt vielleicht nicht ganz so umwerfend ist, macht es auch nicht viel aus. Denn bei einer richtigen Schönheitskönigin schaut ja auch kaum einer auf die inneren Werte, oder?!

Mittwoch, 6. Februar 2008

Weinrallye # 8: Vom venetianischen Küken zum Mosel'schen Künstleretikett

1. Ein erstes Vorwort
Mein erster Gedanke war, als ich Iris Aufgabenstellung zur Weinrallye # 8 gelesen hatte, ob ich mir aus Jux ein Etikett bei einem der tausenden "online-Etikettenfabrikanten" herzaubern lasse und auf dem heimischen Printer ausdrucke und auf eine hinsichtlich des Etiketts nicht ganz so spektakuläre Weinflasche klebe, die dafür einen gescheiten Inhalt hat.
Kompliziert, kompliziert, kompliziert....ausserdem wäre der Tatbestand des Etikettenschwindels erfüllt... ;-). Daher mussten andere Ideen her, die zum Glück auch nicht ausblieben. Aber dazu später.

2. Ein längeres zweites Vorwort
In Vorbereitung auf die Weinrallye # 8 führte mich mein Weg zu dem alteingessenen Charlottenburger Delikatesshändler Rogacki.
Den Wein, diesmal einen Weisswein von der Mosel, hatte ich ja schon vorher bestellt. Fehlte nur noch das Essen, in dem Fall der Fisch, konkret ein frisch filetierter Saibling. Der wurde schnell und fachgerecht vorbereitet und dann brav erworben. Nach dem erfolgreichen Kauf blieb noch ein bisschen Zeit die restlichen Fisch-, Fleisch-, Wurst-, Käsetheken zu begutachten und schlussendlich bei den Weinregalen hängenzubleiben. Es hätte ja sein können, dass das eine oder andere Flaschenetikett einen förmlich anspringt und darum bettelt, in den Einkaufkorb gelegt zu werden.
Und tatsächlich.
Hübsch dekoriert auf einem Holzweinfass stand dann diese Flasche, die flugs erworben wurde:

Italien
Venetien
Mionetto
Novello 2007
Merlot und Cabernet Sauvignon
11,5 %vol.

Passend zu der bald bevorstehenden Osterzeit (es grenzt schon fast an ein Wunder, dass Anfang Februar keine Schoko-Osterhasen und -eier dekorativ die Weinflasche schmückten!), guckt vom Etikett des Novello 2007 ein Küken, frisch aus dem Ei gesprungen, verschämt über den Rand der Eierschale. Sehr süss! Ist das etwa einen Hinweis auf die Geschmacksrichtung des Weines?
Süss wie das Etikettenküken, ist dann aber auch der Wein. Mionetto ist hauptsächlich für seinen Schaumwein bekannt, wie auf Nikos Weinwelten erst kürzlich wieder aufmerksam gemacht wurde.
Der Novello ist nicht nur spritzig und überaus fruchtig, sondern macht einer Sommerbowle alle Ehre. Fehlen noch die obligatorischen Erdbeerstückchen.
Beim Einschenken hat der Novello eine herrlich knallige himbeerige bzw. erdbeerige Farbe. Und erinnert gleich an wunderbare Sommerpicknickabende.
In der Nase sticht dann gleich die leicht gegorene Erbeere zusammengemixt mit der Himbeere hervor. Ein Hauch von einem frischen Roggenbrot fliegt beim zweiten Riechen entgegen. Es könnte allerdings auch die russische - fast alkoholfreie - Variante des Biers, nämlich Kwas (auf Roggenbasis hergestellt), sein.
Der erste Schluck erinnert dann tatsächlich an eine Erdbeerbowle. Dadurch, dass der Wein sehr, sehr jung ist, ist er auch noch sehr spritzig. Insgesamt ist die Süsse jedoch mit ein paar Tanninchen wohl ausbalanciert und lässt sich angenehm trinken.
Im Abgang ist der Wein dann light buttery mit einem Hauch Säure versehen; ebenfalls in good balance.
Zusammen mit kleinen sardinischen Ziegenhartkäsestückchen serviert, harmoniert der sehr gut gekühlte Wein bestens und ist somit ein idealer starter bei bevorstehenden Frühlings- und Sommerabenden. Es muss ja nicht immer zum Entree als Aperitif der Schaumwein in seiner teuren oder billigen Variante gereicht werden, oder?

3. Der eigentliche Teil des Artikels
Nach dem Lesen eines Artikels zum Thema Künstleretiketten, über den ich bei meinen Vorüberlegungen gestolpert bin, fiel mir wieder das Weingut Kerpen als idealer Etikettenträger und Ideengeber ein.

Deutschland
Mosel - Saar - Ruwer
Weingut Heribert Kerpen
Kollektion Kerpen
Graacher Himmelreich
Riesling Kabinett 2006
12 %vol.

Auf das kleine, familienbetriebene Weingut wurde ich vor ein paar Jahren durch Paula Bosch aufmerksam gemacht. Auf einer gerade geplanten Moselweinreise wurde von ihr neben dem Besuch der grossen Namen wie J. J. Prüm, Schloss Lieser, Dr. Loosen, etc., auch der Besuch des Weinguts Kerpen in Bernkastel-Wehlen empfohlen. Ihr Wort war uns Befehl und flugs wurde auch ein Termin beim Gut Heribert Kerpen ausgemacht. Dort sind wird dann bei einem gemütlichen Tasting zu dritt mit den Weinen aufs Beste vertraut gemacht und überzeugt worden. Insbesondere die immer wieder prämierten und höchstgepunkteten Trockenbeerenauslesen, Beerenauslesen und Spätlesen hatten es uns angetan.
Diese sind hier aber nicht das Thema.
Vielmehr ist Thema die "Kollektion Kerpen". Das ist der Graacher Himmelreich Wein, der jedes Jahr ein anderes Etikett bekommt, welches von einem Künstler gestaltet wird. Sozusagen eine special edition.

Das Etikett ist schon mal ansprechend, sozusagen künstlerisch wertvoll.

Ist der Wein nun ebenfalls geschmacklich wertvoll?
Die Antwort ist eindeutig ja.

step 1: Der Wein
Beim Einschenken strahlt einem leicht perlig und gut gekühlt ein hellgoldgelbener Farbton entgegen.
Die Geruchsnerven der Nase explodieren förmlich beim ersten Schnüffeln: Zitrone, Aprikose, Litchi, leichte Nussaromen, ein bisschen toffee-Bonbons und gaaaanz viele frische grüne Äpfel. Fehlt noch was im Geruchscocktail?
Das erste was einem auffällt, wenn man den ersten Schluck nimmt, ist dann die starke Mineralität, die ich besonders bei den Moselrieslingen schätzen gelernt habe.
Die Nervenexplosion, die man in der Nase hatte, bleibt zwar am Gaumen aus, aber die feinen Töne von leichtem Litchi, Grapefruit, Limette und Aprikose mit einer Ahnung von frischem Gras bleiben einem erhalten.
Der Abgang ist dann sehr, sehr lang und weckt wieder toffee-Assoziationen gemixt mit einer Limette.

step 2: Das Essen














Die traumhafte brazil-jazzige Musik von der belgischen Sängerin Helena Noguerra wird angemacht. Es kann gut eingestimmt also losgehen.
Der bei Rogacki erworbene Saibling wird nach einem abgewandeltem Witzigmann-Rezept zu einem Saiblingfilet in Kräuter-Wein-Sauce mit Champignons und Schalotten, garniert mit kleinen Kartöffelchen und Blattspinat, verarbeitet.
Nachdem ich letztens dann noch bei iTunes über ein podcast von Laurentius Kollmann zum Thema Tiramisu und Riesling gestossen bin und dort die Kombination fast wärmstens empfohlen wurde, habe ich mich ebenfalls zu diesem Experiment hinreissen lassen. Den Riesling hatte ich ja schon. Das passende Tiramisu ist dann schnell ebenfalls zubereitet worden.

step 3: Die Wein-Essen-Kombi
Sowohl der Wein als auch der zubereitete Fisch sind für sich allein gesehen sehr aromatisch. Ob das wohl zusammen gut geht? Na klar! Zusammen mit dem Wein ist das Saibling-Gericht nicht nur sehr gut, sondern einfach göttlich! Sowohl die mineralische Säure des Kabinett Rieslings als auch die intensiven Kräuter in dem Gericht, zusammen mit den leicht süsslichen Kartöffelchen ergänzen sich hervorragend und ergeben eine Symbiose zum Dahinschmelzen.
Dagegen war die Kombination Tiramisu - Kabinett Riesling nicht perfekt. Der Geschmack des Tiramisu als auch das Aroma des Weins leideten merklich unter der Kombination, sanken sogar bis zur Bedeutungslosigkeit herab, kein Spur mehr von Litchi oder Äpfeln oder Ähnlichem. Auch das Tiramisu schmeckte plötzlich nur noch nach Mascarpone. Vielleicht hätte ich statt eines Kabinetts eine Spätlese nehmen sollen?! Schade. Sowohl der Wein als auch das Dessert hätten einen adäquateren Partner verdient.

4. Conclusio des Etikettentrinkens
Die Etiketten sagen viel über einen Wein aus. Auch wenn das Etikett etwas ungewöhnlicher gestaltet ist, heisst es nicht, dass sich hinter dem Etikett in der Flasche ein schlechtes Tröpfchen verbirgt. Insbesondere, wenn hinter der Etikettengestaltung auch ein Künstler steckt.
Genauso wie bei Menschen sollte man allerdings auch beim Wein weniger auf das Äussere als auf die inneren Werte achten.
In diesem Sinne... Prosit auf die innere und äussere Schönheit!

Dienstag, 5. Februar 2008

Brian Moores Hoteldirektor Dillon und die IRA

Das Buch Dillon des mittlerweile verstorbenen irischen Schriftstellers Brian Moore ist nicht die übliche Sorte Krimis (Titel der Originalausgabe: Lies of Silence). Es ist eher ein Politthriller und eine psychologische Darstellung einer Geiselnahme und deren Folgen.
Brian Moore nimmt sich auf besondere Art und Weise der Auseinandersetzungen mit der IRA in den 90er Jahren an und schildert anhand des Hoteldirektors Dillon, der mit seiner Frau gefangengenommen wird, das alltägliche Leben der Iren und ihren Umgang mit den Ängsten vor den IRA-Attentaten. Um den Thriller ein wenig aufzupeppen, ist Dillon noch zusätzlich in eine Liebesbeziehung verwickelt, die ihn vor die Entscheidung stellt, ob er sich zu seiner Ehefrau bekennt oder mit seiner neuen Freundin nach London flieht.
Das Buch ist nicht unbedingt der spannendste Thriller, der je geschrieben wurde, aber es ist ein Werk, das auf unkomplizierte Art und Weise die mittlerweile immer mehr aus dem Blickfeld geratenen Auseinandersetzungen zwischen den Katholiken und Protestanten in Irland darstellt.

Brian Moore
Dillon
Diogenes Verlag