Mittwoch, 23. Juli 2008

Babylon & Sebastiano in the City

Es gibt Ausstellungen, die schweben an einem - trotz überdimensionalem Titel, der in der ganzen Stadt plakativ verbreitet wird - vorbei.
Und manche Ausstellungen werden derart laut vermarktet, dass sich das Ereignis ins Gedächtnis einbrennt, noch bevor man die Museumsräume betreten hat.
Weshalb das so ist, wird wohl ein kleines Geheimnis bleiben, weil Werbung für beide Ausstellungen intensivst betrieben wird.

Babylon - Mythos und Wahrheit

Zur letzteren Kategorie gehört - dank umfassender erfolgreicher Marketingstrategie - die Babylon-Ausstellung im Pergamonmuseum, die schon in Paris Ruhm eingefahren hat und nun in Berlin in pinken und blauen Tönen um Aufmerksamkeit buhlt.
Und das zurecht.
Sowohl der Ausstellungsteil Babylon - Wahrheit (mit seinen Ausgrabungsstücken), als auch der Teil Babylon - Mythos (mit phantastischen Bildern, Installationen, Büchern, Filmen zum Mythos Babylon) sind ein sommerliches Highlight in Berlin. Und das nicht nur, weil in den Räumen des Pergamonmuseums sich die Wüstenluft heiss und stickig staut. Wenn man mal von dieser kleinen Unannehmlichkeit absieht, bekommt man einen maximalen Kunstgenuss - soweit man sich für Archäologie und Kultur Babylons interessiert. Allein, weshalb Babylon zum Schluss tatsächlich untergehen musste, bleibt wohl für immer ein Rätsel.
Der Besucher kann sich darauf einstellen, dass er im Untergeschoss des rechten Flügels des Pergamonbaus neben dem auch sonst dort beheimateten Ischtar-Tor und der Prozessionsstrasse auch in etwa 800 archäologisch einzigartige Objekte zu dem Königtum, der Architektur, Religion, Recht, Arbeitswelt, Alltag, Wissenschaft und Transformation von Babylon Einblick erhält.
Da diese Ausstellung eine Kooperation zwischen den Staatlichen Museen zu Berlin, dem Musée du Louvre, der Réunion des Musées Nationaux in Paris und des British Museum in London ist, stammen die ausgestellten Objekte aus allen vier Museen. Durch diesen Zusammenschluss bekommt der Laie einen umfassenden Überblick über die Geschichte Babylons, das im heutigen Irak lag.
Im Obergeschoss des linken Museumsflügels taucht der Besucher in die mythologische Welt rund um Babylon ein.
Dabei wird sowohl das Klischee um die Sünde und das Böse Babels auf mehr als 1500 qm durch unzählige Objekte, sei es durch Gemälde, Bücher, Videoinstallationen, Handschriften oder auch mittels zeitgenössischer Kunst, vor Augen geführt. Von dem grausamen Nebukadnezar, dem babylonischen System, der Stadt der Sünde, Semiramis, dem Turm zu Babel, der Apokalypse bis zur biblischen Sprachverwirrung werden die hochstilisierten und mythologischen Andichtungen mit der Stadt Babylon künstlerisch verbunden. Dabei wird auch auf so aktuelle Geschehen wie den letzten Irak-Krieg artefaktisch Bezug genommen.
The exhibition ist ein perfekter babylonischer und künstlerischer "Rundumschlag", der sowohl für die Berliner als auch seine Gäste ein absolutes Muss in diesem Sommer darstellt.
Für besonders babylonisch Interessierte bietet das Pergamonmuseum verschiedene Führungen, Lesungen und Konzerte - auch special Workshops für Kinder - bis zum 5. Oktober 2008 an.


Babylon - Mythos und Wahrheit
Pergamonmuseum, Museumsinsel Berlin
Bodestraße 1-3
10178 Berlin
26.6.2008 bis 5.10.2008


SEBASTIANO

Zu der ersteren der vorab genannten Ausstellungskategorien gehört die Sebastiano-Ausstellung in der Gemäldegalerie am Kulturforum. Ein Ort, der leider immer wieder vernachlässigt wird, obwohl er zentral am Potsdamer Platz gelegen ist und eine bedeutende Sammlung alter Meister beherbergt.
Die aktuelle Ausstellung wird zwar mit grossen Buchstaben SEBASTIANO an jeder U- und S-Bahnwerbewand angepriesen, aber so richtig ins Bewusstsein der Berliner ist sie noch nicht gedrungen. Vielleicht liegt es daran, dass nur die wenigsten - im Gegensatz zu dem Wort Babylon - etwas mit dem Titel anfangen können. Aber auch der gesamte Name der Ausstellung Raffaels Grazie - Michelangelos Furor. Sebastiano del Piombo (Venedig 1485 - Rom 1547) hilft einem nur begrenzt weiter, wenn man sich mit der italienischen Kunstgeschichte nicht auskennt.
Dies ist wohl auch den Ausstellungsmachern bewusst gewesen. Denn in der Einleitung des Begleithefts zur Ausstellung gibt man zu, dass der allgemeine Bekanntheitsgrad des Künstlers Sebastiano del Piombo sich in Grenzen hält. Und das trotz der Qualität seiner Werke und obwohl er zu Lebzeiten schon eine Berühmtheit war. Immerhin war er der stärkste Konkurrent Raffaels und arbeitete in Rom zum Teil sehr eng mit Michelangelo zusammen. So eng, dass sie sich gegenseitig Skizzen zuschusterten.
Schon das sollte genügen, ihn in die posthume Ehrenriege von Raffael, Michelangelo oder Tizian zu heben.
In der aktuellen Ausstellung werden die Werke des Malers Sebastiano del Piombos in seine Schaffenszeit in Venedig und Rom aufgeteilt, wobei Sebastiano seine venzianischen Einflüsse auch in seinen in Rom gemalten Bildern nicht verbergen wollte.
Auffällig sind in Sebastianos Bildern die für die Zeit ungemein realistische Darstellung von Personen, seien es nun Heilige, Päpste, Krieger, Humanisten oder Bankiers. In jedem Bild wird der besondere Charakter der Person sowohl durch Mimik als auch durch Gestik hervorgehoben. Aber auch das Verwenden von leuchtenden Farben stechen bei Sebastianos Bildern besonders ins Auge. Bei dem Bildnis einer jungen Römerin (Dorothea) fallen der Pelzbesatz und das Rot ihres Mantels, bei dem Bild Kluge Jungfrau das prächtige Blau ihres Kleides und beim Bild Heilige Familie mit zwei Engeln in einer Landschaft das rot, blau und gelb der Kleider der dargestellten Personen und Engeln besonders auf.
Auch das Bild Das Urteil des Salomon ist von grossem Interesse, schon weil es nie vollendet wurde. Gerade deshalb kann man aber Sebastianos Maltechnik nachvollziehen und stellt verwundert fest, dass er den Henker des zu teilenden Kindes nackt wie eine griechische Statue in Aktion zeichnete. Athletisch und muskelbepackt dominiert der Henker das unfertige Bild.
Auch sonst ist in Sebastianos Bildern bemerkenswert, dass er für seine Zeit sehr progressiv war und auch nicht scheute, versteckt sexuelle Komponenten einzubringen.
Aber die sollte man besser vor Ort beim Besuch der Ausstellung bis zum 28. September 2008 für sich entdecken.


Raffaels Grazie - Michelangelos Furor. Sebastiano del Piombo (Venedig 1485 - Rom 1547)
Gemäldegalerie Kulturforum
Stauffenbergstraße 40
10785 Berlin
28.6.2008 bis 28.9.2008

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