Montag, 17. November 2008

Weinrallye # 17 Auch in Böhmen gibt es Wein!

I. Einleitung
Meine persönliche Weinrallye # 17 geht mit zwei Weinen aus Tschechien an den Start.
Besser gesagt mit Weinen aus einem uralten Weinbauangebiet, welches in Vergessenheit geriet; nämlich mit böhmischem Wein. In Böhmen wurde schon seit dem 11. Jahrhundert Weine angebaut.
Mittlerweile ist diese Region besser durch sein Bier bekannt als durch seinen Wein. Wen wundert's, wenn die Bauanbaufläche von 3336 ha (1756) auf 392 ha (1995) in Böhmen gesunken ist. Zu den Zeiten, als der Weinanbau noch unter dem Schutz der österreich-ungarischen Monarchie stand, wurde hauptsächlich aus dem Burgund eingeführter Pinot Noir angebaut. Neben dem Spätburgunder wurde ferner Wein aus den Rebsorten Heunisch weiß, Kleinweiß, Traminer, Elblig weiß, Rachenputzer, Gohér und Běloocko (Quelle: Der Wein in Mähren und Böhmen, geografische Karte von 1996, Herausg.: Vadal P.F. Art, Cejl 67, Brno) hergestellt.
Heute sind die grössten Weinanbaugebiete Böhmens Litoměřice und Mělník.
Vorgestellt werden allerdings zwei Weine aus anderen böhmischen Untergebieten.

II. Die Weine
1. Der erste Wein ist ein Riesling, der aus dem Anbaugebiet Roudnická stammt, welches nordöstlich von Prag am Fluss Labe liegt. Es gibt in dieser Gegend momentan wohl nur sechs Weinorte mit steilen Hanglagen. Die schönsten Hanglagen liegen allerdings momentan brach. Der Familie Lobkowicz gehört der grösste weinbautreibende Betrieb, zu dem auch eine Schlosskellerei gehört.
Insbesondere Sylvaner und Rotweine wurden und werden auf dem schweren Lehmboden angebaut (Quelle: Der Wein in Mähren und Böhmen, geografische Karte von 1996, Herausg.: Vadal P.F. Art, Cejl 67, Brno).

Tschechien
Böhmen - Roudnická
Lobkowiczké zámecké vinařství Roudnici nad Labem
Ryzlink Rýnský (Rheinriesling)
Pozdní sber, suché (Spätlese trocken)
Rocník 2003
12,6 vol.

Farblich
zeigt der Wein schwache gelbliche bis leicht grünliche Töne. Beim ersten Schnüffeln zeigt der Wein die typisches Rieslingbukett: Apfel und Zitrusaromen.
Am Gaumen fehlt dann aber die erwartete Komplexität. Ein einfach gestrickter Wein, der eine leichte Bitterkeit und Rauchigkeit zeigt. Frage mich, ob das so sein muss, oder ob er einfach schon zu alt ist.
Von einem feinen Abgang ist leider auch kein Spur zu merken.
Im Grossen und Ganzen ist das wohl ein ziemlich simpler Wein.
Wen wundert's. Aber das muss ja nicht grundsätzlich schlecht sein. Hauptsache ist, man besinnt sich auf seine Traditionen und baut fleissig weiter Wein an.Jedenfalls hat der Wein, so ungewöhnlich er für den westeuropäischen Gaumen ist, regen Zuspruch bei der Bevölkerung. So ist es üblich, mit leeren Plastikwasserflaschen zum örtlichen Weinvertrieb zu fahren und sich dort die Dinger mit heimischem Wein füllen zu lassen. Und dabei kann man dann auch noch ein Gläschen Wein trinken und mit der Verkäuferin ein Schwätzchen halten. Quasi der Tante-Emma-Laden und Friseur in einem.

2. Der zweite Wein ist ein Rulandské modré (Spätburgunder), der aus einer anderen böhmischen Gegend stammt, in der es zu Hochzeiten 53 Weinorte gab. Heute sind wohl in der Region Most ebenfalls nur noch sechs Weinorte übrig geblieben. Erste urkundliche Erwähnungen auf den Weinbau weisen aber schon auf das Jahr 1209 zurück. Auf dem Basaltboden wachsen heute Rheinriesling, Ruländer, Müller-Thurgau, Spätburgunder, Sankt Laurent und Zweigeltrebe (Quelle: Der Wein in Mähren und Böhmen, geografische Karte von 1996, Herausg.: Vadal P.F. Art, Cejl 67, Brno).
Bekannt ist die Gegend aber auch für die Herstellung von kosherem Wein, der insbesondere aus der Gegend um Chrámce kommt.

Tschechien
Böhmen - Most
České vinařství Chrámce
Rulandské modré (Spätburgunder)
Pozdní sber, suché (Spätlese trocken)
2002, 11,44 % vol.

Der aus Chrámce stammende Spätburgunder hat im Glas eine kräftige leicht ins Braun gehende Färbung.
Das Bukett erinnert an Sauerkirschen, Schokolade und Leder. Aber in einer Zusammenstellung, die nicht ganz so harmonisch wirkt, sondern eher ein wenig muffig ist.
Am Gaumen ist er dann säuerlich und klar und hat eine leicht bittere Fruchtnote. Der Abgang ist ebenfalls unspektakulär einfach, wobei hier die Frucht ein wenig stärker zur Geltung kommt als beim Riesling.Im grossen und ganzen ist es ein trinkbarer Wein, bei dem man merkt, dass er vielleicht auch mehr könnte. Allerdings kann er mit seinen Kollegen aus dem Burgund noch nicht konkurrieren.


III. Das Essen
Neben Wein und Bier ist Böhmen allerdings auch für sein deftiges Essen bekannt. Um dem Abend einen komplett böhmischen touch zu geben, kommt ein böhmischer Sauerbraten mit Rotkohl und Knödel auf den Tisch.Das Rind zerfällt förmlich, so zart ist es nach stundenlangem Garen. Und die Knödel haben zum Glück ebenfalls eine perfekte feste, aber nicht trockene Konsistenz. Der Rotkohl bietet mit seiner leichten Süsse eine wunderbare sensorische Brücke zwischen Knödel und Sauerbraten.

1. Zusammen mit dem Sauerbraten kombiniert spielt der Ryzlink ein wunderbares match. Die Kraft, die dem Riesling für sich genommen fehlt, wird durch die Säure der Bratensoße gefördert und ergänzt. Die Bitterkeit und Rauchigkeit ist verschwunden. Die Frucharomen fehlen leider aber immer noch.

2. Der Spätburgunder überzeugte zusammen mit dem Sauerbraten hingegen nicht vollständig. Die Fruchtigkeit des Wein geht mit der Sauerbratensoße verloren. Zusammen mit dem Braten wirkt der Wein fast wässrig. So, als ob man eine Weinschorle trinken würde.
Die Schwere des Weins fehlt vollständig. Aber gestört hat der Wein zum Essen auch nicht. Besser schmeckt der Wein jedoch, wenn man ihn "solo" trinkt.


IV. Zum Schluss
Eins ist durch diese Weinrallye deutlich geworden. Das Potential schönere Weine herzustellen hat Böhmen. Es fehlt den Weinen allerdings noch an Finesse und Eleganz...jaja...auch bei einfacheren Weinen ist das möglich!
Das böhmische Dornröschen muss nur noch mit viel Kraft, Wissen und Investitionen wachgeküsst werden. Dann lebt die Geschichte wieder auf und man kann auch aus dem Osten Deutschlands wunderbare Kurzausflüge in Weingebiete mit Steillagen machen und eine Brotzeit im Hang essen. Denn attraktiv ist die Gegend und den passenden Boden und ein weinförderndes Klima hat dieser Part Tschechiens.
Auf die Weinproduktion Böhmens sollte in jedem Fall ein Augenmerk geworfen werden, auch wenn die Weine bisher noch nicht hundertprozentig überzeugen können.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wenn auch die Weine nicht ganz spitzenmäßig waren: dein Artikel ist es! Und bei der Beschreibung deines Essens ist mir gleich das Wasser im Mund zusammen gelaufen - obwohl ich eigentlich satt bin...

Und einmal haben wir das gleiche Weingut gewählt: ich hatte den Dornfelder aus Roudnice! Und bei der Beurteilung sind wir uns auch einig, glaube ich. Hinter dem Fluss Labe verbirgt sich übrigens unsere Elbe ;-)

Anonym hat gesagt…

Toller Beitrag, tolle Weinrallye!

Swetlana hat gesagt…

Merci! Es ist mir ein grosses Vergnügen, diese Weinrallye zu betreuen. Ich bin mehr als begeistert, dass dieses komplizierte Thema auf soviel Enthusiasmus stösst!

Anonym hat gesagt…

Na, da hat sich das Warten doch gelohnt - wieder ein wunderschöbner Beitrag, bei dem einem zumindest das Essen wieder das Wasser im Mund zusammenlaufen läßt. Auch hier ist es inzwischen kühl genug, um von Sauerbraten mit Rorkohl und Klößen zu träumen (was ja auch eine Spezialität aus meiner Heimat im Rheinland ist:-)).

Die Bilder auf den Webseiten mit den schönen Hanglagen lassen doch hoffen, das mit der Zeit mutige Winzer auch den Weg zu Qualitätsweinen finden.

Anonym hat gesagt…

Das Schloss auf der Etikette des Rheinrieslings sieht ganz stattlich aus, ein paar Jahre lokaler Wohlstand, der Einsatz von Winzern, dann wird sich die Qualität auch hier einstellen.